“Artgerecht” Arbeiten? Wie wir unbewusst unsere Leistungsfähigkeit sabotieren
Der Mensch hat sich zweifelsohne in der jüngeren Evolutionsgeschichte zur dominanten Art auf dem Planeten Erde entwickelt. Der Schlüssel zum Erfolg war unsere Anpassungsfähigkeit, die uns Vorteile gegenüber anderen Spezies verschaffte. So haben wir im Wesentlichen ein relativ zur Körpergröße vergrößertes Gehirn und damit ein im Tierreich herausragendes Kognitionsvermögen entwickelt. Das hat uns in den letzten 200.000 Jahren besonders anpassungsfähig in Bezug auf sich verändernde Lebensräume gemacht. Die Spezialisierung kam allerdings zu einem Preis, denn bei beschränkter Kalorienanzahl musste ein starker Körper (versuchen Sie sich einmal gegen einen Gorilla im Armdrücken) und ein leistungsfähiges Verdauungssystem (probieren sie doch einmal ihr Steak, bevor sie es auf den Grill legen) einem vergrößerten und damit hungrigen Hirn geopfert werden. Prinzipiell hätte jede beliebige Art diesen Wandel vollziehen können und uns unseren Rang ablaufen können. So liegt es vor allem an für uns vorteilhaften Umweltveränderungen (insb. klimatischen Änderungen), dass nicht ganz andere Spezialisten aus dem Tierreich die dominante Art auf dem Planeten Erde geworden sind. Wir sollten uns also nicht zu viel auf unsere Stellung einbilden – zumal diese erdgeschichtlich bisher nichts mehr als einen minimalen Anteil ausmacht.
Vielmehr bleibt festzustellen, dass der Homo Sapiens auch nur eine (Tier-) Art ist, die durch eine Verkettung von unvorhersehbaren (evolutionären) Umständen (man könnte es auch Glück nennen) auf die richtige Disziplin (Spezialisierung auf Kognitionsvermögen) gesetzt hat. Das wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass der moderne Mensch über 99% seiner Gene mit seinem nächsten tierischen Verwandten, dem Schimpansen, teilt. Wir können uns also als leicht modifizierten Affen verstehen. Der große Unterschied zwischen dem Affen und dem Menschen ist nicht das ‘wie er ist‘, sondern das ‘wie er lebt (und arbeitet)‘. Hier ist der Unterschied zwischen Menschen und Affen, aber auch zwischen dem Menschen aus dem Jahr 2020 und dem genetisch identischen Menschen vor 200.000 Jahren gigantisch. So sind unsere Vorfahren mehr als 20 Kilometer am Tag gelaufen, waren ständig unterschiedlichen körperlichen Belastungen ausgesetzt und haben sich als Jäger und Sammler stets abwechslungsreich und frisch ernährt. Genauso wie man sagt, dass es für einen Schimpansen artgerecht ist durch das Blätterdach im Urwald zu jagen, liegt es nahe, dass der Lebensstil, den unsere urzeitlichen Verwandten gepflegt haben, auch für uns Menschen des 21. Jahrhunderts als artgerecht zu bezeichnen ist – weil wir eben genetisch dafür gebaut sind.
Da unsere Anpassungsfähigkeit uns in unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen überleben lies und uns die Ansiedlung an nahezu allen Orten des Erdballs ermöglicht hat, scheint es, als wäre auch die sich verändernde Art zu Leben und zu Arbeiten im 21. Jahrhundert keinerlei Herausforderungen für den Menschen. Tatsächlich hat der Mensch, insbesondere durch seine kognitiven Fähigkeiten, das Potenzial in Lebensräumen (und Arbeitsräumen!), die nicht seiner artgerechten Natur entsprechen, zurechtzukommen. Zurechtkommen heißt dabei jedoch nicht, dass er wirklich artgerecht lebt und arbeitet. Vielmehr nutzt der Mensch Kompensationsstrategien, um ein gewisses Maß der Abweichung von einem artgerechten Leben zu tolerieren. Sind die Abweichungen allerdings dauerhaft zu entfernt vom genetischen Ideal, bezahlt der Mensch mit der schleichenden Minderung der Leistungsfähigkeit sowie der körperlichen und psychischen Gesundheit. Betrachtet man das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Veränderungen des menschlichen Lebens- und Arbeitsraums seit Beginn der Digitalisierung seit Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts und die neuesten Veränderungen seit der Covid-19 Pandemie in 2020, wird deutlich, dass die menschliche Anpassungs- und Kompensationsfähigkeit deutlich überschritten ist.
In der Konsequenz leben und arbeiten Menschen unter ihrem innewohnenden Potenzial. Weil sie scheinbar in ihrer Lebens- und Arbeitsumgebung gefangen sind, verfangen sich auch unbewusst Kompensationsmuster. Eine Minderleistung wird zur Normalleistung. Neben einem absinkenden Leistungsniveau, fällt auch die Kurve des Wohlbefindens. Daraus resultieren wiederrum Krankheitsbilder, die bei Naturvölkern gar nicht bekannt sind. Herz- und Gefäßkrankheiten, Diabetes Typ 2, Adipositas, bestimmte Krebsarten und Hauterkrankungen, Allergien, Rücken- und Gelenksschmerzen, Bluthochdruck und vor allem psychiatrische und neurotische Erkrankungen sind in modernen Gesellschaften keine Ausnahme, sondern fast die Regel. So lag der Anteil von Diabetikern in Deutschland in den 1960er Jahren deutlich unter 1%. 60 Jahre später steuern wir auf einen Anteil von fast 10% zu. Die Häufigkeit von psychischen Diagnosen hat sich in den letzten 20 Jahren etwa vervierfacht.
Um Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden wieder an das ursprüngliche menschliche Potenzial heranzuführen sind Strategien gefragt, die die Lücke zwischen einem nicht-artgerechten Arbeits- und Lebensraum und der menschlichen Anpassungsfähigkeit schließen. Etwaige Strategien sollten nicht die (utopische) Flucht aus dem modernen Lebensstil zum Ziel haben, sondern ihn so anpassen, dass er mit der menschlichen Anpassungsfähigkeit wieder vereinbar ist. Dafür braucht es keine Esoterik oder Tree-Hugging. Vielmehr ist ein holistisches Verständnis von der artgerechten Lebens- und Arbeitsweise des Menschen und gleichermaßen den Anforderungen in modernen Digitaljobs gefragt, um die Kluft zwischen „wofür wir gemacht sind“ und „was wir wirklich machen“ adäquat auszuleuchten und anzunähern. Ein derartiges Verständnis fehlt heute gänzlich. Vielmehr wird eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden als die Regel empfunden und gesellschaftlich akzeptiert. Es resultieren Organisationen und Menschen, die dauerhaft unter ihrem Potenzial laufen.
Über das System des Potenzial-Hackings
Das von Robin Westermann entwickelte Potenzial-Hacking ist ein human-zentriertes System, das die effektivsten Strategien aus den Bereichen Evolutionsbiologie, funktionelle Neurologie, Bewegungslehre und positive Psychologie in einem holistischen Ansatz vereint. Gesellschaftliche Paradigmen und Konventionen werden aufgebrochene und überraschende Strategien entwickelt, die jeder Teilnehmer unmittelbar in seinem Arbeits- und Privatleben umsetzen kann und so ganz praktisch profitiert. Robin setzt Keynote-Vorträgen, Online-Seminaren und (Präsenz-) Coachings die richtigen Impulse, um Zugang zum innewohnenden Potenzial zu erlangen und dieses zu entfesseln.